Falko Warmt
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Werke Informationen Kurzbiographie Texte Hans Lehmann, 1987
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Die akademische Kunstgeschichte hat ein gespaltenes Verhältnis zum aktuellen Kunstgeschehen. Sie nahm es nur sporadisch wahr und begleitete sie selten engagiert. Das änderte sich erst in den letzten Jahrzehnten mit der Expansion des Kunst- und Kulturbetriebs und dem Aufstieg der modernen und zeitgenössischen Kunst. Ich erinnere mich an längst vergangene Zeiten als die Künstler natürlich auch eitel waren, aber ihr Verhalten zum Kommerz schien nicht so vordergründig. Es war nicht primär Geld zu verdienen, sondern man wollte seine Sachen machen, sich selbst finden in der Malerei. Jahrhundertelang hatten die Maler versucht, der Farbe jede erdenkliche Ehre zu erweisen. Selbst der Bildträger wurde bedächtig zubereitet und grundiert. Heute malt man mit Industriefarbe auf bereits grundiert gekaufter Leinwand und die Genies vermehren sich rasend schnell als Ersatz für Begabung. Und viele schnell gemalte Bilder werden auch all zu schnell gezeigt. Nichts kann sich bei diesen Künstlern richtig setzen. Wann haben die vielen Maler (Künstler) eigentlich Zeit zum überlegen? Sie sind ständig in schneller Aktion. Ja, dabei entstehen gern gesehene Gags. Deshalb ist das zeitgenössische Kunstgeschehen so geprägt von den Wörtern Trend, Zeitgeist und Kunstmarkt. Die Sensibilisierung der europäischen Gesellschaft für die bildenden Künste am Ende des 19. Jahrhunderts ging mit deren Errungenschaften von Freiheit, Aufklärung und Kritik einher. Würden Sie sagen, daß die heutige Kunst ein Produkt der Massenkultur und der neuen Medien ist? Meiner Meinung nach ist diese Entwicklung schlüssig. Es kommt nur auf das „Wie“ an. Die Überinformationsflut läßt viele Menschen nur teilhaben, aber der Preis dafür ist ein Leben im Zeitraffer. Nicht jedem gelingt es, die vielen Informationen, die uns heute umgeben zu vertiefen. Sich Zeit nehmen um Dinge wirklich zu begreifen oder zu erfühlen ist für viele Menschen nicht mehr möglich. Es gibt immer mehr nur Teilnehmer. Ist ein Ende der Moderne in Sicht? Die vielen sich ständig neu ablösenden Kunststile sind prägend für das Ende des 20. Jahrhunderts. Die Mittel und Techniken der bildenden Künste modifizieren sich, aber die Kunstentwicklung führt meiner Meinung nach zu einer Erstarrung. Die abstrakte Kunst begibt sich in die Selbstauflösung. Mich stört daran ihre Beliebigkeit. Aufgewachsen sind Sie in Weimar. Was ist Ihre schönste Kindheitserinnerung? Für mich ist Weimar, rumtollen mit meinen Freunden auf den Wiesen vor dem Gartenhäuschen Goethes. Und Begegnungen mit Bildern von Cranach, die mich als Kind stark beeindruckten. Ich glaube hier liegt der eigentliche Ursprung meiner Liebe zur Malerei. In Halle an der Saale nahmen Sie bei Otto Müller, welcher auch Gräser-Müller genannt wird, von 1958 bis 1960 Malunterricht. Viele Ihrer Arbeiten beschäftigen sich mit dem Verhältnis von Mensch, Tier und Natur. Würden Sie sagen, daß Otto Müller Sie in diese Richtung beeinflußt hat? Durch ihn habe ich das malerische Handwerk und die Fähigkeit erlernt, die eigenen Arbeiten auch kritisch zu betrachten. In der Umgebung von Halle haben wir oft nach der Natur Gräser und Blumen gezeichnet. Die Liebe zur Zeichnung ist mir bis heute geblieben. Ich habe sowohl Grasplastiken gemacht als auch Bilder die Gräser zeigen. Gras ist bei mir ein wichtiges Thema geworden und führte mich schließlich zu meinen Bildern der rissigen Erde (Harmas). Ich bin also doch Otto Müller beeinflußt. Wie situieren Sie sich in der heutigen Welt? Es ist der glücklichste Moment zu wissen, daß ich malen kann. Ich fühle mich unabhängig, frei. Ihre künstlerische Entwicklung über Jahrzehnte hinweg läßt konstant eine Vorliebe für die Verwendung von verschiedensten Materialien erkennen. Die Materialbilder wie zum Beispiel die „Metamorphosen“ Ende der 80ziger Jahre lassen einen langwierigen Entstehungsprozeß vermuten. Im Sinne der Kunst würde ich sagen ja. Über Anregungen aus der faszinierenden Welt der Insekten bin ich dazu gekommen, mit verschiedensten Materialien meine Bilder zu bauen, zu verflechten und zu überlagern. Bei der Betrachtung der in den letzten Jahren entstandenen Schwebebilder ist das Gewirr von Menschen, Tieren, pflanzlichen Strukturen und der Gebrauch von Zitaten Ihrerseits auffällig. „Leben ist Spucken.“ Die Schwebebilder sind für mich die Hinwendung zum zeichnerischen Element. Das Durchdringende und das Überlagernde läßt sich durch diese Art von Bildern besonders gut darstellen. Hier durchdringt das Kleine das Große. Eilende, rasende Menschen werden von phantastischen Wesen, weisenden Vektoren und zeichnerischen Eingrenzungen durchdrungen. Es gibt kein vorher und nachher, kein oben und unten, alles geschieht gleichzeitig. Perspektive setze ich bewußt außer Kraft. Raum, Zeit, Dimension sind frei schwebend. Das spielerische und das experimentelle Element ist in ihrem Schaffen offensichtlich. Diese Plastiken zeigen die Gebrechlichkeit des Lebens und der Systeme und haben etwas von dem Geheimnis was ich in jedem guten Kunstwerk spüren möchte. Berührt man zum Beispiel die Himmelsstütze dann fühlt man deren Verletzlichkeit. Die Himmelsstütze ist ein typisches Kunstwerk. Sie scheint völlig nutzlos, da sie ja kein Himmel stützen kann. Darin sehe ich eben die schöne Aufgabe der Kunst. Nur so entstehen Blumen von Originalität. Sind Sie ein ruhelos Suchender? Ich suche nicht ruhelos. Durch meine Art Stille zu halten, finde ich. Die ständig ruhelos schnelle Aktion ist nicht meine Welt. Was wären Sie lieber: unsichtbar- oder weise? Weise. In der Frühzeit der künstlerischen Entfaltung waren meine Arbeiten natürlich sehr von Versuchen und Experimenten geprägt. Die Experimentierfreude ist mir geblieben, aber nun kommt die Reife und Erfahrung meines künstlerischen Lebens hinzu. Vielleicht wird doch mancher Künstler ein bißchen weise. Vielleicht auch ich. (Das Gespräch führte Hendrikje Warmt am 18.5.2003 – Aus: Falko Warmt Material- und Ölbilder, Aquarelle, Skulpturen, Dr. Irene Lehr Kunsthandel Berlin, 2003)) (*Ouelle: Kubin, Alfred, Die andere Seite – Roman des Künstlers - 1909 zum ersten Mal erschienen, Ungekürzte Ausgabe, Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1962) |
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